Soziale Ungleichheit in der Pandemie

Warum die Krise ärmere Familien härter trifft

Durch die Schulschließungen könnten Kinder aus einkommensschwachen Familien weiter abgehängt werden. Es fehlt an wichtigen Ressourcen.

Seit Weihnachten schon sind die Schulen in Deutschland geschlossen. Noch bis mindestens 14. Februar müssen Schülerinnen und Schüler von zu Hause aus lernen. Für viele Eltern und Kinder ist der digitale Unterricht indes eine große Herausforderung. Besonders hart sind Familien aus ärmeren Verhältnissen von den Schulschließungen betroffen. Für sie kann bereits die technische Ausstattung zum Problem werden.

„Es wird so viel vorausgesetzt“, sagt Bernd Siggelkow, Gründer des Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“ und heutiger Gast bei stern TV. „Es fängt an mit den Druckerpatronen, es fehlt das Papier. Wir drucken hunderte Seiten für unsere Kinder aus. Keiner denkt daran, dass es Menschen gibt, die sich das gar nicht leisten können.“

Drucker, Laptop, Tablet, stabiles Internet – das sind wichtige Voraussetzungen für das sog. Homeschooling. Bei vielen einkommensschwachen Familien aber reicht das Geld dafür nicht aus. Das Problem verschärft sich noch, wenn mehrere Kinder im Haushalt leben. „Man hätte elf Monate Zeit gehabt, die Digitalisierung voranzutreiben. Man hat versagt“, so Arche-Gründer Siggelkow.

Für Alleinerziehende kaum zu bewältigen

Als eine von wenigen sozialen Einrichtungen hat das 1995 gegründete Kinder- und Jungendwerk zurzeit noch geöffnet. Siggelkow und seine Mitarbeiter verteilen Tablets an Bedürftige und sind immer für die von ihnen betreuten Familien erreichbar. „Ich habe oft nachts Anrufe von Eltern, die nicht mehr weiterwissen und nicht mit ihren Kindern zurechtkommen“, erzählt er. Seit dem Lockdown sei auch das Aggressionspotential und die Gewalt in den Familien angestiegen.

Viele Eltern sind zudem mit der Betreuung des Lernens überfordert. Gerade für Alleinerziehende mit drei oder vier Kindern sei das gar nicht zu schaffen, so Siggelkow. Das kann auch Kathleen van Hümmel bestätigen. Die 36-Jährige ist Mutter von drei Kindern und seit einem halben Jahr alleinerziehend: „Wir kommen nicht mit dem vorgegebenen Schulunterricht zurecht, sitzen nach dem Abendbrot nochmal zusammen, morgens bis abends nur Homeschooling. Sonntag wird auch nochmal zusammengesessen.“

Durch die Schulschließungen könnten vor allem Kinder von Alleinerziehenden und aus einkommensschwachen Familien zu Verlierern der Pandemie werden. Für Bernd Siggelkow besteht hier dringender Handlungsbedarf: „Wir sehen durch den Lockdown, dass die Kinder noch mehr abgehängt sind. Sie werden nicht so gefördert, wie sie gefördert werden sollten“.

Hilfe für Familien in Krisensituationen

  • Die „Nummer gegen Kummer“ bietet anonyme und kostenlose Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern an:
    • Kinder- und Jugendtelefon: 116 111 (Mo-Sa von 14-20 Uhr)
    • Elterntelefon: 0800 111 0550 (Mo-Fr von 9-17 Uhr; Di & Do bis 19 Uhr)
    • Online-Beratung per Chat oder Mail für Kinder und Jugendliche
    • Weitere Informationen zur „Nummer gegen Kummer“ finden Sie hier.
  • Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet unter der Nummer 08000 116 016 rund um die Uhr kostenlose und anonyme Hilfe und Unterstützung für Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Auch Freunde, Verwandte oder Menschen aus dem sozialen Umfeld können sich an das Hilfetelefon wenden, wenn sie Gewaltbetroffenen helfen möchten.
  • Das Hilfetelefon bietet auch Online-Beratungen und Beratungen in mehreren Sprachen an.
  • Das Hilfetelefon „Sexueller Missbrauch“ ist kostenfrei und anonym unter der Nummer 0800-22 55 530 zu erreichen (Mo, Mi, Fr von 9 bis 14 Uhr, Di & Do von 15 bis 20 Uhr). Das Hilfetelefon bietet Hilfe und Beratung für Betroffene, für besorgte Menschen aus dem sozialen Umfeld und für Kinder und Jugendliche.
  • Die Telefonseelsorge ist ein Beratungsangebot in Trägerschaft der evangelischen und katholischen Kirche, an das Sie sich bei Problemen, Sorgen und in Krisen wenden können. Die Telefonseelsorge ist täglich und rund um die Uhr unter den Nummern 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222 kostenfrei erreichbar.