Hoffnung für Betroffene

Laufen trotz Querschnittslähmung: Wie sich Till Raab dank modernster Technik zurück ins Leben kämpft

Ein spezielles OP-Verfahren kann Menschen mit Querschnittslähmung dabei helfen, wieder mobiler zu werden.

Am 29. Juni 2007 ändert sich das Leben für Till Raab schlagartig. Bei seiner Arbeit als Zimmermann stürzt der damals 30-Jährige durch ein Dach mehrere Meter in die Tiefe und verletzt sich dabei zwei Brustwirbel so, dass er von nun an querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen ist.

„Die ersten zwei Jahre nach dem Unfall habe ich schon viel überlegt, viel gezweifelt, Angst gehabt“, erzählt er heute. Er habe viele schlaflose Nächte gehabt und seine Situation oft als aussichtslos empfunden. „Das hat mich schon einiges an Kraft gekostet, rauszugehen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen wie vorher.“

Ein Schrittmacher im Becken – so funktioniert das Verfahren von Prof. Possover

Im Juni 2019, drei Jahre nach dem Unfall, lässt sich Till Raab von dem französischen Arzt Prof. Marc Possover operieren, der eine neue Methode entwickelt hat, um seine querschnittsgelähmten Patienten wieder mobiler zu machen. Bei diesem Verfahren wird ein sogenannter Pacemaker, auch Schrittmacher genannt, unter die Bauchdecke implantiert, der mithilfe von Stromimpulsen wichtige Nerven im Becken reizt.

Der Pacemaker sendet permanente Stromimpulse über Nerven in die Gesäßmuskulatur und bremst damit den Abbau dieser Muskulatur und der Knochendichte. Zudem reduziert er die Gefahr von Wundstellen (Dekubitus). Durch Stromimpulse auf bestimmte Muskelgruppen hilft der Pacemaker querschnittsgelähmten Patienten außerdem dabei, ihre Beine zu strecken und einzelne Schritte zu gehen.

Was sich nach der OP für die Patienten verändert

„70 Prozent unserer Patienten sind wieder in der Lage die Beine mit ihrem Kopf zu steuern“, sagt Prof. Possover, der weltweit inzwischen etwa 100 Patienten mit dem Verfahren operiert hat.

Zugleich macht der Arzt aber auch deutlich: „Das ist keine Operation, bei der die Patienten drei Monate später den Marathon von New York laufen können. Die müssen täglich trainieren. Einige können schon nach sechs Monaten wieder aufstehen, die meisten erst nach zwei oder drei Jahren.“

Till Raab trainiert mindestens zehn Stunden pro Woche. Bis zu 2,5 Kilometer kann der heute 44-Jährige mit Gehhilfe inzwischen zurücklegen. „Wenn ich Lust darauf habe, packe ich meine Krücken aus und lauf los“, erzählt er. „Ich bin froh, dass ich den Weg in den letzten Jahren so gegangen bin.“

Weitere Informationen zum LION-Verfahren und zu Prof. Possover finden Sie unter possover.com.