Wenn beide Eltern stillen

Stillen als nicht-leibliche Mutter: Wie geht das?

Mit welcher Methode Frauen auch ohne vorherige Schwangerschaft stillen können.

Katharina und Noëmi Obst (beide 39) sind verheiratet und Eltern von Zwillingen. Obwohl Katharina die leibliche Mutter ist, werden die vier Monate alten Zwillinge auch von Noëmi gestillt. Doch wie ist das möglich?

Dass Noëmi ihre Kinder stillen kann, ohne vorher schwanger gewesen zu sein, liegt unter anderem an einem Medikament, das die Milchproduktion in der Brust anregt. Das Mittel Domperidon wird eigentlich gegen Übelkeit und Erbrechen genommen, hat aber unter anderem die Nebenwirkung, dass in der Brust Milch abgesondert wird. Daher wird es auch im sogenannten Off-Lable-Use verwendet, also in einem Anwendungsgebiet, das von der Zulassung abweicht.

Prozess soll Schwangerschaft und Geburt nachahmen

Um die Milchbildung ohne vorangegangene Schwangerschaft hervorzurufen, wird in der Regel ein halbes Jahr, bevor das Baby erwartet wird, mit der Einnahme von Domperidon begonnen. Sechs Wochen vor der Geburt muss die erste Milch alle drei Stunden mit einer Pumpe abgepumpt werden. Jetzt wird auch, falls zusätzlich eingenommen, die Pille abgesetzt. Dieser Prozess soll eine normale Schwangerschaft und Geburt nachahmen und zur Milchbildung führen.

Sobald das Baby da ist, kann das Mittel langsam oder ganz abgesetzt werden. „Das Medikament geht zu einem ganz geringen Teil in die Muttermilch über, sodass es keine Relevanz für das Kind hat und nicht schädlich ist“, sagt die Gynäkologin Dr. Susanne Klinge, die seit 15 Jahren mit Domperidon arbeitet. „Die medikamentös erzeugte Muttermilch hat genau dieselben Bestandteile wie die normal gebildete Muttermilch“, so die Ärztin.

Es gibt auch Kritik an dem Medikament

Doch es gibt auch Kritik am Off-Lable-Use von Domperidon. Im Jahr 2014 hatte ein Pharma-Unternehmen über neu entdeckte Risiken des Medikaments informiert, zu denen unter anderem Herz-Rhythmus-Störungen gehören sollen. „Diese Herz-Rhythmus-Störungen sind unter Umständen sogar manchmal lebensbedrohlich, wenn man das über zu lange Zeit nimmt oder zu hoch dosiert“, sagt der Apotheker und Gesundheitswissenschaftler Prof. Gerd Glaeske. Daher seien eine gute Kontrolle und Begleitung wichtig.

„Es gibt eine Studie dazu, in der junge Frauen untersucht worden sind, bei denen diese Auffälligkeiten eben nicht auftraten“, sagt Dr. Susanne Klinge. „Wir haben sehr viele Patienten und haben nicht ein Mal in den ganzen 15 Jahren diese Nebenwirkung bei jungen, gesunden Frauen gesehen“. Entscheidend für den Erfolg ist aus ihrer Sicht aber ein gutes Stillmanagement in Zusammenarbeit mit einer Stillberaterin.

Für Familie Obst macht das gemeinsame Stillen das Familienglück perfekt. Die Möglichkeit, ihre Kinder Stillen zu können, ist für Noëmi etwas ganz Besonderes: „Dass ich Milch geben kann, obwohl ich die beiden nicht ausgetragen habe, das ist für mich ein ganz großes Glück“.