Genesen heißt nicht geheilt
Das sind die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion
Sie werden in der Statistik als genesen geführt, doch wirklich gesund sind sie noch lange nicht. Viele Corona-Patienten leiden noch Monate nach einer überstandenen Infektion unter gesundheitlichen Problemen.
Das Krankheitsbild, das von Medizinern als Long-Covid bezeichnet wird, lässt sich bislang nicht eindeutig definieren. Es umfasst eine Vielzahl von Symptomen, die nebeneinander oder nacheinander und in unterschiedlich starker Ausprägung auftreten können.
Müdigkeit und Merkstörungen: Die Symptome von Long-Covid
Zu den beobachteten Langzeitfolgen zählen neben organspezifischen Schäden laut Robert Koch-Institut auch Müdigkeitserscheinungen, Gedächtnisprobleme oder Wortfindungsstörungen. Zudem werde von außergewöhnlichen Symptomen wie plötzlichem Erbrechen oder starkem Schwindel berichtet.
Eine Studie aus dem chinesischen Wuhan kommt zu dem Ergebnis, dass drei Viertel der Corona-Patienten noch ein halbes Jahr nach der Erkrankung unter mindestens einem Symptom leiden. Dabei wurden Muskelschwäche und „Fatigue“, also signifikante Müdigkeit und Erschöpfung, am häufigsten genannt (63 Prozent), gefolgt von Schlafstörungen (26 Prozent) sowie Angst oder Depression (23 Prozent). Alle 1.733 Teilnehmer der Studie waren im Krankenhaus behandelt worden.
Doch die Spätfolgen können selbst dann auftreten, wenn die Krankheit relativ mild verlaufen ist. Darauf deutet unter anderem eine Studie einer britisch-amerikanischen Forschergruppe hin, die Ende Dezember vorveröffentlicht wurde. Von den 3.762 Teilnehmern aus 56 Ländern waren nur 8,4 Prozent stationär behandelt worden. Dennoch gab die Mehrheit der Betroffenen (65 Prozent) an, dass ihre Beschwerden über mindestens sechs Monate anhielten.
Als häufigstes Symptom wurde auch hier „Fatigue“ (78 Prozent) genannt. Darüber hinaus traten eine Verstärkung bestehender Symptome nach körperlicher oder geistiger Anstrengung (72 Prozent) und kognitive Beeinträchtigungen (55 Prozent) besonders häufig auf.
Reha-Maßnahmen und Post-Covid-Ambulanzen
Weil die Behandlung der Spätfolgen von Covid-19 viele Ärzte vor Herausforderungen stellt, entstehen in immer mehr Kliniken sogenannte Post-Covid-Ambulanzen, die sich auf Patienten mit Langzeitbeschwerden spezialisiert haben. Diese Ambulanzen erleben derzeit einen Patientenansturm.
Auch viele Reha-Kliniken verzeichnen einen Zuwachs an Long-Covid-Patienten. In der Klinik für Pneumologie und Kardiologie Martinusquelle in Bad Lippspringe sind Langzeit-Symptome nach einer Covid-Erkrankung zurzeit der Hauptaufnahmegrund. Schon im vergangenen Jahr wurden hier 181 Corona-Patienten betreut.
„Der klassische Corona-Patient braucht alle Facetten der Rehabilitation“, sagt Klinik-Chefarzt Dr. Ralf Dieter Schipmann. Es fehle den Patienten an Kondition und Muskelmasse, einige hätten zudem viel Gewicht abgenommen. Unter seinen Patienten seien auch viele junge Menschen: „Wir hatten auch Menschen mit Gehstörungen, die waren Mitte 20 und sind am Rollator gegangen. Das war auch keine Seltenheit in den letzten Monaten“, so der Chefarzt.
Seiner Erfahrung nach komme bei Covid-19-Erkrankten zudem ein Faktor hinzu, der etwa nach einer schweren Grippe oder einer Lungenentzündung seltener zu beobachten sei: „Wir erleben bei den Corona-Patienten eine zusätzliche, verstärkte psychische Beeinträchtigung. Viele haben große Angst, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Weil es keine Perspektive gibt was die Endlichkeit der Symptome betrifft.“ Neben Maßnahmen zur körperlichen Rehabilitation bräuchten die Patienten daher auch in diesem Bereich besondere Unterstützung.