Geschäftsmodell Krebs

Wie dubiose Heilpraktiker sich an verzweifelten Krebspatienten bereichern

Im Kampf gegen den Krebs hat sich Sabine H. für ein angebliches "Wundermittel" entschieden – und dadurch wertvolle Zeit verloren.

Krebstherapie: Lebensbedrohliche Heilpraktiken? Das Geschäft mit der Verzweiflung | stern TV

Die 52-Jährige klammerte sich in ihrer Hoffnung auf Heilung an ein „Wundermittel“: Eine Heilpraktikerin verkaufte ihr „BG-Mun“, ein Mittel für 5.900 Euro pro Packung. Doch die Metastasen wucherten immer weiter.

Im September 2017 hatte Sabine H. überraschend die Diagnose Speiseröhrenkrebs erhalten. Da sich bereits Metastasen in ihrer Lunge und Leber gebildet hatten, begann sie auf ärztlichen Rat hin sofort mit der Chemotherapie. Gleichzeitig informierte sie sich in Büchern und im Internet über alternative Heilmethoden. Über eine Facebook-Gruppe wurde sie schließlich auf das Mittel „BG-Mun“ aufmerksam: Ein Gruppenmitglied schrieb sie an und erzählte von seinem an Krebs erkrankten Bruder, dem eine Heilung dank des Mittels kurz bevorstünde. Er vermittelte ihr den Kontakt zum Hersteller von „BG-Mun“ und einer Heilpraktikerin, die ihre Patienten mit diesem Mittel behandelt.

Die beiden überzeugten Sabine H. davon, dass das Mittel „BG-Mun“ ihren Krebs heilen kann. Daraufhin brach Sabine H. ihre Chemotherapie ab. Auch ihre Familie und ihr Ehemann konnten sie nicht davon abbringen. Die 52-Jährige vereinbarte mehrere Termine bei der Heilpraktikerin, kaufte bei ihr insgesamt anderthalb Packungen „BG-Mun“ für mehrere tausend Euro und nahm auch weitere teure Behandlungsmethoden in Anspruch. Für die Behandlungen gab Sabine H. insgesamt rund 15.000 Euro aus.

Das „Wundermittel“ zeigt keine Wirkung

Eine erneute MRT-Untersuchung von Sabine H. nach etwa drei Monaten zeigte keine Besserung. Doch ihre Heilpraktikerin und der „BG-Mun“-Hersteller versicherten ihr, dass sie auf dem richtigen Weg sei, und rieten ihr zur Einnahme einer weiteren halben Packung des Mittels. Ein CT, das im Anschluss an die Einnahme gemacht wurde, zeigte jedoch ein verheerendes Ergebnis: Der Krebs hatte sich verschlimmert, die Metastasen in der Lunge vermehrt. Der Hersteller und die Heilpraktikerin nannten psychische Probleme als Ursache für die Ausbreitung der Metastasen. Sabine H. brach daraufhin den Kontakt ab und beendete die Einnahme von „BG-Mun“.

Inzwischen führt die 52-jährige die Chemotherapie bei ihrem behandelnden Onkologen fort – obwohl ihre Heilpraktikerin ihr geraten hat, weiter „BG-Mun“ einzunehmen. „Wenn ich das gemacht hätte, hätte ich weiter Zeit verloren und hätte das unter Umständen auch nicht überlebt“, sagt H. heute.

Sabine H. ist kein Einzelfall: Immer wieder nutzen Menschen die Verzweiflung von Krebspatienten aus, um sich am Verkauf teurer Mittelchen zu bereichern.

Gehirnwäsche? Verzweiflung wird ausgenutzt

Rückblickend sagt Sabine H., dass ihre große Verzweiflung und ihre Hoffnungslosigkeit großen Einfluss auf ihre Entscheidung für „BG-Mun“ hatten: „Also ich würde in dem Zusammenhang von Gehirnwäsche sprechen, weil sie mich beeinflusst haben und mir das mitgeteilt haben, was ich gerne hören wollte und an was ich ohnehin schon geglaubt habe. Deshalb habe ich das gar nicht mehr hinterfragt. Ich hätte vielmehr nachträglich recherchieren und mich über 'BG-Mun' informieren müssen. Aber die haben mich so beeinflusst, dass ich das gar nicht mehr gemacht habe.“

 

Informationsquellen und Tipps für Betroffene von stern TV-Studiogast und Arzneimittelexperte Prof. Gerd Glaeske:

  • Prof. Gerd Glaeske verweist auf die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Ärzten, die sich mit alternativen Angeboten beschäftigt: https://www.abda.de/themen/arzneimittelsicherheit/amk/
  • Das deutsche Forschungszentrum für Krebspatienten (DKFZ) in Heidelberg kann ebenfalls Auskünfte über alternative und komplementäre Therapien geben. Auf der Homepage finden Sie eine Hotline, bei der Sie sich Rat und Informationen holen können.
  • Weitere medizinische Aufklärungsmöglichkeiten finden Sie bei den Verbraucherzentralen oder beim medizinischen Dienst der Krankenkassen.

Weitere Informationsquellen:

  • Eine Zusammenfassung komplementärer Behandlungsmethoden finden Sie in dieser Broschüre von Prof. Dr. med. Josef Beuth vom Institut zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren an der Universität Köln.